Unfähig, dilettantisch, NDR
Die Sondersendung zur Landung von Lena Meyer-Landrut am gestrigen Sonntag zeigte den NDR von seiner komplett dilettantischen Seite.
Wer mal wieder erleben wollte, wie die Rundfunkgebühr sinnlos verbrannt wird, der war gestern beim NDR richtig. Nun kann man streiten, wie wichtig es ist, die Landung einer Siegerin eines Gesangscontests live zu übetragen. Doch wenn Deutschland zur Abwechslung mal Sieger feiern kann, dann sollten die Medien auch ihrer Aufgabe gerecht werden. Nach der Fußball-WM wird man sicherlich nichts zu übertragen haben.
Lena Meyer-Landrut, die am Samstag abend den Eurovision Song Contest gewonnen hat, stammt aus Hannover und es gab schon ein gewisses Interesse von Fans und Schaulustigen, die Ankunft in ihrer Heimatstadt und die nachfolgenden Ereignisse live im TV zu zeigen. Hannover ist die Landeshauptstadt von Niedersachsen und ist somit in NDR-Hand.
Die Programmverantwortlichen des NDR schalteten denn auch einigermaßen schnell und entschlossen sich zur Programmänderung. Am Sonntag ab 15 Uhr sollte die Live-Übertragung starten. Was dann kam, ist mit Dilettantismus nur unzureichend umschrieben.
Was will man als Zuschauer bei so einem Ereignis sehen?
- Die Landung des Flugzeugs
- Die zum Terminal rollende Maschine, gerne mit Pilot, der Schwarz-Rot-Gold aus dem Cockpitfenster schwenkt
- Das Verlassen des Flugzeugs
- Die Begrüßung auf dem Rollfeld
- Die Ansprache an die Fans
- Die Fahrt im Autocorso durch Hannover
- Die Ankuft am Rathaus
- Die Eintragung ins Goldene Buch der Stadt
- Der Auftritt vor den wartenden Fans am Rathaus
Soweit so einfach. Diesen Programmablauf sollte jeder Regieassistent in Ausbildung hinlegen können. Doch was machte die ARD bzw. der NDR daraus?
- Die Sondersendung lief gleichzeit im Ersten und auf dem 3. Programm des NDR
- Den NDR-Mitarbeitern war es unmöglich, die genaue Landezeit der Lufthansa-Maschine ermitteln. Ein Blick auf die Ankunfttafel (gibt es auch online) des Airports Hannover hätte genügt.
- Da man die genaue Landezeit nicht kannte, schaltete der NDR zum Zeittotschlagen immer wieder zum Rathaus, was meistens jedoch wegen technischer Schwierigkeiten nicht gelang, und sendete Konserven von Lenas Auftritt beim Finale des ESC in Wiederholung.
- Dadurch verpasste man die Landung.
- Bei der nächsten Schaltung zum Flughafen stand die Maschine bereits am Finger des Terminals.
Wer den Airport Hannover kennt, weiß, daß allein beim Rollen nach der Landung bis zum Andocken am Terminal einige Minuten vergehen, in denen man locker Zeit gehabt hätte, zum Flughafen zu schalten. Beim NDR schlief man seelenruhig. - Das Aussteigen und die Begrüßung durch den sich ranschleimenden Ministerpräsidenten Wulff und Lenas Worte an die wartenden Menschen wurden wieder live übertragen.
- Das Erste der ARD sprang um 15:47 Uhr ohne weiteren Kommentar aus der Übertragung, um eine „wichtige“ Tagesschau zu senden, die das gerade Gesehene einfach nochmal sendete. Danach ging es normal weiter im Programm. Das kennt man bspw. von DTM-Übertragungen der ARD, bei denen gern mal „vergessen“ wird, die Siegerehrung zu zeigen. Einen Hinweis darauf, daß die Live-Übertragung im NDR weitergeht, bekam der Zuschauer im Ersten auch nicht. Dabei wird auch die Tagesschau vom NDR produziert.
- Der NDR zeigte noch einige Minuten weiter das Geschehen am Flughafen. Und beendete dann die Übertragung.
Die Abfahrt vom Flughafen, der Autocorso durch die Stadt, die Ankuft am Rathaus alles nicht mehr wichtig für den NDR. Das konnte man später am Nachmittag dann auf anderen Kanälen sehen.
Der ganze Nährwert der Liveübertragung bestand also in der Übertragung des Aussteigens aus dem Flugzeug und dem Ranschleimen vom Ministerpräsident Christian Wulff, der ja schon immer wußte, daß Lena gewinnen wird. Die Live-Schaltungen vom Studio zum rund 1km entfernten Rathaus gingen in der Mehrzahl schief. Mehr als das fragende Gesicht des Reporters vor Ort bekam man nicht zu sehen oder zu hören. Auch die Schaltungen zum Flughafen waren durch Chaos gekennzeichnet. Offenbar war die Sendung mit so heißer Nadel gestrickt, daß weder die Leute Vor-Ort noch die Studio-Besatzungen überhaupt eine leise Ahnung vom Programmablauf hatten. Dabei war der Sieg in Oslo schon über 15 Stunden her und man hätte genug Zeit gehabt, sich anständig vorzubereiten. Schade um das Geld von allen Zwangs-PayTV-Zuschauern, das für diese 1 Stunde Liveübertragung des NDR verballert wurde.
Es verwundert im Nachhinein nicht, warum die Kandidatensuche und die Teilnahme am ESC in den letzten Jahren so verliefen, wie sie verliefen, nämlich katastrophal. Da mußten erst Raab und Pro7 kommen und dem NDR unter die Arme greifen, damit dieses Trauerspiel ein Ende hat.
Man darf nun gespannt sein, wer sich alles für den Sieg von Lena auf die Schulter klopfen wird und wer jetzt das große Geld wittert. Um den Austragungsort des ESC-Finale im kommenden Jahr in Deutschland hat das Hauen und Stechen ja schon begonnen. Auch die Ankündigung von Stefan Raab, daß Lena im nächsten Jahr nochmal antreten und so ihren Titel verteidigen soll, hat schon zu Verstimmungen geführt. Das ZDF schnitt diese Passage aus der internationalen Pressekonferenz in Oslo einfach aus der Berichterstattung heraus. Und plötzlich melden sich die unterschiedlichsten und bisher zurecht im Verborgenen gebliebenen Programmdirektoren der ARD zu Wort und bestehen auf eine Castingshow auch in 2011.
Schon interessant wie es sich das Sprichwort wiedereinmal bewahrheitet: „Der Erfolg hat viele Väter. Die Niederlage ist ein Waisenkind.“
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P.S. Die Stadt Hannover war übrigens um einiges flexibler als der NDR und benannte sich kurzerhand um:
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Ich freue mich auf alle Fälle, denn Lena ist wirklich mal was besonderes, total Natürlich da könnte sich mancher Politiker eine Scheibe abschneiden.
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