Das 57 Sekunden Meldegesetz.

Wie im Bundestag Gesetze zustande kommen, am Beispiel des umstrittenen Meldegesetzes.

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Ganz Deutschland sitzt vor dem Fernseher als die Abstimmung zum umstrittenen Meldegesetz im Bundestag läuft. Doch nur vereinzelte Zuschauer dürften das traurige Schauspiel gesehen haben. Die meisten sahen etwas anderes Trauriges: das Spiel Deutschland gegen Italien bei der Fußballeuropameisterschaft.

Hätten sie der Abstimmung im Bundestag zugesehen, wären wahrscheinlich nicht weniger Tränen geflossen als beim Ausscheiden der deutschen Mannschaft im Halbfinale der Euro 2012. Denn was sie da zu sehen bekommen hätten, zeigt auf drastische Weise, welch getrübtes Selbstverständnis die Bundestagsabgeordneten mittlerweile haben. Daß das Plenum des Bundestages die höchste Instanz der Demokratie sein sollte, wissen die Abgeordneten nicht. Und so können die meisten Gesetze und Abstimmungen in Hinterzimmern und Ausschüssen über die Bühne gehen. Im Plenum wird nur noch abgenickt. Die Abstimmung über den Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zur „Fortentwicklung des Meldegesetzes“ ist dafür ein erschreckend deutliches Beispiel.
Zum einen ist der Plenumssaal an diesem 28. Juni kaum mit Abgeordneten gefüllt. Die meisten sehen wohl ebenfalls das Fußballspiel und sind deshalb schon abgereist. Bei anderen wichtigen Entscheidungen wurden solche Sitzungen schon medienwirksam abgebrochen, weil der Bundestag nicht beschlußfähig war. Das ist er schon, wenn weniger als die Hälfte der Abgeordneten anwesend sind. Mindestens 311 Abgeordnete müssen also im Saal sein, damit man beschlußfähig ist. Bei der Abstimmung zum Meldegesetz waren aber kaum mehr als 30(!) Abgeordnete im Saal. Die Sitzung hätte eigentlich sofort abgebrochen werden müssen, doch herrscht unter den Fraktionen ein Abkommen, solche Unterbesetzungen des Parlaments stillschweigend hinzunehmen und dabei auch noch die Mehrheitsverhältnisse beizubehalten. Wären bspw. mehr Grüne oder Linke im Saal gewesen, hätte man das Gesetz locker stoppen können. Will man aber gar nicht.
Zum anderen finden echte Beratungen und Aussprachen gar nicht mehr statt. Man gibt seinen Redebeitrag einfach zu Protokoll. Kein Redner verliert mehr ein Wort. Das würde nur unnötig den Feierabend verzögern. Und so kommt es zur Abstimmung über das Gesetz, ohne daß auch nur ein einziger Redner das Wort ergriffen hätte. Die Abstimmung ist nur noch eine Zustimmung zur Empfehlung des Innenausschusses, der die Annahme des neuen Meldegesetzes vorgeschlagen hatte.

Rund 30 Abgeordnete stimmen im Schnelldurchgang ab. Damit ist der Gesetzesentwurf in 2. und 3. Beratung und Schlußabstimmung angenommen. In exakt 57 Sekunden! Eine unglaubliche Verhöhnung des Parlaments und der Demokratie.

Auf diesem Video ist das Trauerspiel deutscher Parlamentsarbeit festgehalten:

Quelle: YouTube

In dem neuen und zurecht umstrittenen Meldegesetz geht es übrigens auf Wunsch der schwarz-gelben Bundesregierung darum, daß die Meldeämter in Zukunft alle von ihren Einwohnern erfassten Daten an private Unternehmen verkaufen dürfen. Nur Daten von Bürgern, die von sich aus schriftlich dagegen Einspruch erheben, dürfen nicht nach außen verkauft werden. Hat ein privates Unternehmen aber bereits Daten vorliegen und sei es nur die alte Anschrift des Bürgers, dann darf das Unternehmen die Daten mit denen der Meldeämter abgleichen. So erhält das Unternehmen ganz leicht die neue Anschrift. Dagegen nützt auch der Einspruch des Bürgers nicht. Das ist Datenschutz der schwarz-gelben Bundesregierung. Kommerz geht vor Bürgerrechte.

Gegen das Meldegesetz gab es bereits vor diesem Tiefpunkt der Demokratie lautstarken Protest von Bürgern und Datenschützern. Das hielt die Bundesregierung und das Parlament nicht davon ab, dieses Gesetz einfach durchzuwinken. Erst als sich jetzt nach der Fußballeuropameisterschaft, da die meisten Wähler wieder aufgewacht sind, der Protest verstärkt, auch über die Art des Zustandekommens des 57 Sekunden-Gesetzes, da hört man plötzlich auch Stimmen aus den Fraktionen, die gegen den Verkauf der Daten der Bürger sind. Selbst Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner distanziert sich plötzlich vom neuen Meldegesetz. Ein Armutszeugnis von besonderer Güte. Wer Bürgerrechte so mit Füßen tritt, hat in einem Parlament nichts zu suchen.

Hier geht es zum Campact Appell gegen das umstrittene Melderecht, mit dem der Bundesrat aufgefordert wird, dieses Gesetz zu stoppen.

Quellen: Youtube, Tagesschau, WeltOnline

 

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