Deutsche Einheit?
Wie weit ist die Deutsche Einheit gelungen, nach einem Vierteljahrhundert „Wiedervereinigung“? (Teil 1)
Ein Thema ist in diesem Herbst im medialen Rauschen rund um das Thema Flüchtlinge etwas untergegangen: Die Deutsche Einheit. 25 Jahre ist das Land nun bereits wiedervereinigt. Doch wie weit ist die innere Einheit wirklich vorangekommen? Die Betrachtung dieser wichtigen Existenzfrage kam etwas kurz in diesem Jahr.
Wiedervereinigung?
Helmut Kohl hat im Wendejahr 1989/1990 vieles richtig gemacht, aber auch sehr vieles falsch. Seine Versprechungen von den „blühenden Landschaften“ sind genauso legendär wie sie eine plumpe Wahlkampflüge waren. Niemand mit wirtschaftlichen Verstand konnte damals ernsthaft annehmen, daß die notwendigen Veränderungen in der DDR aus der Portokasse zu bezahlen wären und daß sie über Nacht und ohne große Anpassungsschmerzen über die Bühne gehen könnten. Den Menschen etwas anderes zu erzählen, war schlicht Betrug, wenn auch wohl kalkuliert.
D-Mark
Man kann Helmut Kohl wohl zugute halten, daß es ihm hauptsächlich um die Wiederherstellung der Deutschen Einheit ging. Die Mittel und Wege, die er dafür als notwendig erachtete, waren wie so oft bei Kohl hart am Rande der Legalität. Für Kohl zählte nur das Ergebnis, und daß er dabei seine Macht erhält.
Deshalb wurden die Menschen in der DDR zunächst getäuscht und dann mit dem Köder „D-Mark“ regelrecht betäubt. Klares Denken setzte bei vielen daraufhin aus. Man wollte so schnell wie möglich ein Teil des vermeintlichen Schlaraffenlandes sein. Aus „Wir sind das Volk“ wurde ganz schnell „Wir sind ein Volk“ und der Ruf der nach der D-Mark nahm schon fast erpresserische Züge an: „Kommt die D-Mark bleiben wir. Kommt sie nicht, gehen wir zu ihr!“
Kohl versprach die D-Mark und die blühenden Landschaften und gewann so die ersten freien Wahlen in der DDR. Lothar de Maizière von der Ost-CDU, der aus diesen Wahlen im März 1990 als neuer Ministerpräsident hervorging, war nichts anderes als Kohls Statthalter, der von Bonn aus gesteuert wurde.
Am 01. Juli 1990 wurde die D-Mark dann in der DDR eingeführt und damit die komplette Wirtschaft mit einem Schlag ruiniert. Die systematische Deindustrialisierung der DDR ist mit all ihren Auswirkungen noch immer zu spüren, die daraus entstandene Massenarbeitslosigkeit ist in den neuen Bundesländern bis heute nicht überwunden. Sie ging nur zahlenmäßig zurück, weil die Menschen ihre Heimat verlassen mußten,um im Westen nach Arbeit zu suchen.
So wurde das angedrohte Weggehen, falls die D-Mark nicht kommt, trotzdem Wirklichkeit, und das weil die D-Mark so schnell in der DDR eingeführt wurde.
Einheit
Neben der wirtschaftlichen Misere hat Helmut Kohl mit seinem Vorgehen auch der inneren Einheit Deutschlands erheblichen Schaden zugefügt. Er hat es zwar mit außenpolitischem Geschick und dicker Brieftasche tatsächlich geschafft, daß die deutsche Einheit völkerrechtlich vollzogen werden konnte, doch das Zusammenwachsen der Menschen blieb auf der Strecke. Ein großer Fehler war dabei die Tatsache, daß das komplette System der alten BRD ohne Kompromisse und Rücksicht auf Verluste der DDR übergestülpt wurde.
Es gab keine echte Wiedervereinigung. Stattdessen nur ein Beitritt der neuen Bundesländer nach Artikel 23 Grundgesetz. Daß diese neuen Bundesländer am 03. Oktober 1990 zum Teil faktisch noch nicht existierten und deshalb gar nicht hätten beitreten können, geschenkt. Doch ein Beitritt ist eben grundsätzlich etwas anderes als eine Vereinigung von zwei gleichberechtigten Partnern.
Eine unvoreingenommene Bewertung und anschließender Übernahme der guten Dinge aus dem jeweiligen System fand deshalb nicht statt. Alles aus der DDR wurde für schlecht und damit für nicht erhaltenswert erklärt.
Ab dem 01. Juli 1990 war für die Menschen in der DDR nichts mehr so wie vorher, in keinem Lebens- oder Arbeitsbereich. Abgehalfterte Politiker und Beamte aus der zweiten Reihe sollten nun den „Ossis“ die Demokratie und das moderne Wirtschaften beibringen. Dafür erhielten diese „Experten“ auch noch jahrelange die sogenannte Buschzulage für ihren Einsatz in den neuen Bundesländern. Daß die Anpassung an das andere System trotzdem gelang, ist den Menschen in der DDR nicht hoch genug anzurechnen.
Einheitsgefühl
Den Menschen der alten Bundesländern fehlt dieses „Erlebnis“ der Veränderung. Für sie hatte die deutsche Einheit im normalen täglichen Leben kaum Auswirkungen. Es änderte sich zunächst gar nichts. Nur der bis heute verteufelte Solidaritätsbeitrag war für sie spürbar. Daß diese Steuer nur eingeführt wurde, weil Helmut Kohl zu feige war, die Mehrwertsteuer anzuheben, nachdem auch ihm klar wurde, daß die DDR eben nicht aus der Portokasse zu finanzieren ist, haben bis heute sehr viele Menschen gerade in den alten Bundesländern nicht verstanden. Damit wurde der Soli zu einem Katalysator der inneren Zerrissenheit Deutschlands.
Auch der Tag der „Deutschen Einheit“ am 03. Oktober ist nur ein Zufallsprodukt. Dieser Tag paßte den kleinen Beamtenseelen aus Bonn terminlich gut in den Kalender. In tieferen Sinn für dieses Datum gibt es schlicht nicht, und so sieht es auch mit der Akzeptanz dieses Datums in der Bevölkerung aus.
Ein echtes Einheitsgefühl hat sich deshalb auch nach einem Vierteljahrhundert „Wiedervereinigung“ bisher weder im Osten noch im Westen Deutschlands eingestellt.
Ende Teil 1
Lies in Teil 2: Hat sich die Revolution im Herbst 1989 für die Menschen gelohnt?
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