Die strahlenden Fünf
Gleich 5 Bundesminister braucht es, um das neue Energiekonzept der Bundesregierung vorzustellen.
Das hat Seltenheitscharakter: 5 Bundesminister auf einer Pressekonferenz. Zum Thema Energie und wie die Bundesregierung die Zukunft blockiert braucht man offensichtlich die Worthülsen fünf 5 Ministern. Einer allein kann wohl nicht genügend heiße Luft zusammenbringen, um den energiepolitischen Unsinn der schwarz-gelben Koalition zu verteidigen, der die finanzielle Begünstigung der Atomkonzerne auf Kosten und Sicherheit der Allgemeinheit als alleinigen Hauptzweck hat.
Und so trafen sich gestern die Minister Röttgen (Umwelt und Reaktorsicherheit), Brüderle (Wirtschaft), Ramsauer (Verkehr und Städtebbau), Schavan (Forschung) und Schäuble (Finanzen) im Saal der Bundespressekonferenz in Berlin.
Inhaltlich wurde nichts Neues verbreitet, nur die gleichen falschen Argumente, mit denen Schwarz-Gelb schon lange versucht, auf Dummenfang zu gehen. So lamentierte Röttgen wieder einmal von der „Atomkraft als Brückentechnologie“, die einen Übergang ins Zeitalter der erneuerbaren Energieen bauen soll. Daß dies totaler Quatsch ist, weiß er selbst am besten. Doch um den Koalitionsfrieden zu erhalten, ist Röttgen zum Fähnchen im schwarz-gelben Wind geworden. Mehr verbiegen als Röttgen kann man sich praktisch nicht. Ein Umweltminister, der an den Gesprächen im Kanzleramt nicht mal teilnehmen durfte, als es um den merkelschen Atomvertrag ging, weil man in ihm einen starken Gegner der Politik von Merkel und Westerwelle sah, und der nun genau diese Politik mit blumigen Worten verteidigen will, ist ein Lehrbeispiel für einen Wendehals ohne Rückgrat. Dieser Norbert Röttgen hat damit auf der Skala der Glaubwürdigkeit einen neuen Tiefpunkt markiert.
Wirtschaftsminister Brüderle träumte vor der versammelten Presse von einem transparenten Markt der Energieanbieter und will extra dafür eine neue, teure „Markttransparenzstelle“ beim Bundeskartellamt schaffen. Und das obwohl mit dem schwarz-gelben Energiekonzept gerade die Monopolstellung von E.On, RWE, Vattenfall und EnBW auf Jahre hinaus festgeschrieben wird. Schizophren umschreibt diesen Gemütszustand ganz treffend.
Ramsauer versuchte den unüberwindlichen Gegensatz zwischen der erfolgten Kürzung beim Programm für die energetische Gebäudesanierung und der notwendigen CO2-Einsparung durch ebendieses Programm zu erklären und scheiterte. Mit seinen diversen Ausnahmeregelungen für alte Häuser und dem gekürztem Föderprogramm wird das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent zu senken, definitiv nicht zu erreichen sein.
Schavan wurde dem Bild der totalen Unkenntnis über das, was sie gerade von sich gibt, mal wieder gerecht. So wußte die Forschungsministerin nicht zu beziffern, wieviel Geld ihrem Ministerium in Zukunft für die Erforschung der erneuerbaren Energien zur Verfügung steht. Ihr Versuch mit Falschzahlen zu operieren, vergrößerte das Dilemma nur.
Auch Finanzminister Schäuble versuchte sich an Zahlenspielchen. War bisher in Regierungskreisen immer die Rede von 2,3 Mrd. EUR, die man den Atomkonzernen über die neue Kernelementesteuer abnehmen will, so spricht Schäuble nun von 2,3 Mrd. Brutto, denn die AKW-Betreiber können die neue Steuer als Betriebsausgabe absetzen. So werden die Gelder, die dem geplanten Fond zur Förderung der Erneuerbaren zugeführt werden sollen, immer weniger, denn nach Bekanntwerden des Inhalts des merkelschen Atomvertrag, der lange geheimgehalten wurde, stellte sich heraus, daß die AKW-Beitreiber auch die Beträge, die sie für die dringend notwendigen Sicherheitsaufrüstungen für ihre Schrottreaktoren ausgeben müssen, von den Fondszahlungen abziehen können, wenn diese 500 Mio. EUR überschreiten. Pro Reaktor versteht sich. Ob also überhaupt etwas im Förderfond für erneuerbare Energien ankommt, steht in den Sternen.
Die Pläne, die vorgesehenen Verschärfungen in der Ökosteuer wieder zu kippen und so Energiefresser weiter zu schonen, runden das desaströse Bild, das diese Regierung im Bereich Zukunft der Energieversorgung abgibt, nur noch ab.
Insgesamt kann man diese Pressekonferenz nur als Muppet-Show der strahlenden Inkompetenz bezeichnen. Nur das dem Bürger dabei das Lachen im Halse stecken bleiben dürfte angesichts der zu erwartenden finanziellen Mehrbelastungen und angesichts des massiven Einschnitts in die Sicherheit Deutschlands, der sich durch die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke auftut.
Es wird Zeit, daß für diese Koalitin der Lobbyisten der Vorhang fällt.
Quelle: SZ
Ergänzung: Das SWR-Magazin „Report Mainz“ hat recherchiert, wie diese Bundesregierung und ganz speziell ihr Wirtschaftsminister Brüderle verhindern, daß sauberer und vorallem billiger Strom aus Norwegen nach Deutschland gelangt.
Update (30.09.2010): Die Hintergründe, wie der merkelsche Atomvertrag zustande kam, werden immer skandalöser. So ließ sich die Regierung den Vertrag in maßgeblichen Teilen von zwei Großkanzleien schreiben. Oppenhoff & Partner, eine der Kanzleien, berät auch RWE. Und die Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer saß gleich direkt im Auftrag der vier Energieriesen am Verhandlungstisch im Kanzleramt. Verfassungsrechtler sind entsetzt.
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