Ohrfeige für Schwarz-Gelb

OECD kritisiert massiv das geplante Betreuungsgeld.

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Deutschland ist abgelenkt. Der Fußball rollt und alle Augen sind auf das Abschneiden der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der EURO 2012 in Polen und der Ukraine gerichtet. Das ist ein höchstgefährlicher Moment, nutzt doch die Regierung Merkel diese Zeit der eingeschränkte Aufmerksamkeit immer sehr gern, um klammheimlich ungeliebte Politik durchzusetzen. Das war schon bei WM 2006 so, die dazu auch noch in Deutschland selbst stattfand und Fußball deshalb über Wochen die Medien beherrschte, und das war auch bei der letzten EM so.

Auch die jetzt stattfindene Euro 2012 soll mal wieder dafür genutzt werden, um Fakten zu schaffen. Eines der Projekte, das jetzt im Eiltempo in Gesetzesform gegossen werden soll, ist die rein ideologisch begründete Idee eines Betreuungsgeldes für Mütter, die ihr Kind nicht in eine Kita schicken, sondern selbst betreuen wollen. Diese Schnapsidee, eine Entschädigung zu zahlen zu wollen, wenn man staatliche Angebote nicht nutzt, ist auf dem Mist der CSU gewachsen. Die CSU um Horst Seehofer hofft mit diesem Betreuungsgeld genügend konservative Stimmen zu mobilisieren, umbei der Bayern-Wahl im kommenden Jahr das Schlimmste noch zu verhindern.
Selbst weite Teile der CDU können mit diesem Schwachsinn nichts anfangen. „Ich bekomme Geld dafür, daß mein Kind nicht in eine Kita geht. Wenn ich aber jahrelang nicht ins Theater gehe, bekomme ich kein Geld aus der Kulturförderung zurück.“ Diese Logik erschließt sich wohl nur in einem CSU-Bierzelt nach der dritten Maß.

Natürlich ist die Idee  eines Betreuungsgeldes -unabhängig vom Erstattungsmodell für nichtgenutzte staatliche Leistungen- auch insgesamt Schwachsinn. Das hat die Bundesregierung jetzt auch schwarz auf weiß. Die Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) hat in einer Studie nachgewiesen, daß sich das Betreuungsgeld negativ auf die Erwerbsquote von Frauen und die Integration von Zuwanderern auswirkt. Wie Merkel das in Einklang mit dem Ruf nach mehr Beschäftigung und den dringend benötigten Fachkräften aus dem Ausland -ob wir diese wirklich benötigen, sei mal dahingestellt- in Einklang bringen will, diese Erklärung ist sie bisher schuldig geblieben.
Die OECD konnte ganz klar nachweisen, daß gerade bei Frauen aus Zuwandererfamilien die Beschäftigungsquote nach der Einführung eines Betreuungsgeldes sinkt. Auch die Bildungschancen der Kinder dieser Frauen sinken merklich, denn gerade diese Kinder profitieren am meisten von der Teilnahme an kindlicher Bildung im Rahmen der staatlich geförderten Angebote. Und ausgerechnet diese Kinder aus Zuwanderfamilien werden durch das Betreuungsgeld von der Kita ferngehalten. In allen Ländern, in denen das Betreuungsgeld bisher getestet wurde, ist es ein Mißerfolg geworden.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung scheint sich nicht daran zu stören. Beratungsresistent will man das Betreuungsgeld durchboxen, nur um Horst Seehofer und der CSU einen vermeintlichen Gefallen zu tun. Die Chancen der Frauen aber vorallem der Kinder haben im Politikbetrieb dieser Regierung keinen Stellenwert. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder will die Herdprämie, nichts anderes ist das Betreuungsgeld, im Auftrag der Kanzlerin möglichst vor der Sommerpause durch den Bundestag bringen. Der Moment ist günstig. Wir erinnern uns, es läuft gerade die Fußball-EM durch die Köpfe der Menschen.
Die notwendige Beratung im Bundestag und seinen Ausschüssen soll deshalb möglichst klein oder besser ganz ausfallen. Doch dagegen protestiert die Opposition im Parlament. Und Hamburgs Bürgermeister Scholz (SPD) und andere drohen bereits jetzt mit einer Verfassungsklage gegen das Betreuungsgeld, da sie der Auffassung sind, daß die Herdprämie auch im Bundesrat zustimmungspflichtig ist.

Es wird wohl beim Thema Herdprämie nichts werden mit dem klammheimlichen Durchwinken von Gesetzen während der allgemeinen durch die Fußball-EM ausgelösten geistigen Schockstarre. Doch die Wähler müssen aufmerksam bleiben. Die Euro 2012 hat gerade erst begonnen und Merkel und Co. haben noch einige ungeliebte Projekte in der Schublade, wie bspw. den ESM, die Vorratsdatenspeicherung oder die weitere Förderung der Versicherungsindustrie mit staatlich gestützen Produkten, wie die private Pflegezusatzversicherung.

Quelle: taz

 

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