Mogelpackung Mindestlohn
Der im Koalitionsvertrag versprochene Mindestlohn ist nur eine Nebelkerze.
Die SPD-Mitglieder haben es in der Hand, sie können diese große Koalition aus CDU, CSU und SPD in der Mitgliederbefragung verhindern. Das weiß auch die SPD-Führung und hat nun Angst vor der eigenen Courage. War es ein Trumpf im Ärmel der SPD während der Koalitionsverhandlungen mit dem Mitgliederentscheid drohen zu können, wird ebendieser nun zur Belastung für den Traum von einer Regierungsbeteiligung. Deshalb war der SPD-Führung von Anfang klar, daß man den Mitgliedern etwas bieten muß, dem sie sich unmöglich verweigern können.
Dieses Etwas soll die Einführung eines Mindestlohnsein sein. SPD-Chef Gabriel gibt sich zwar bescheiden und nennt den ausgehandelten Kompromiß zum Mindestlohn nur einen Einstieg: „man hätte sich viel mehr gewünscht“. Doch zumindest hat man die CDU gezwungen, sich dem Thema nicht länger zu verweigern. Ein Einstieg sei auf jeden Fall besser, als gar kein Mindestlohn. Später wird man dann das Gesetz noch nach und nach verbessern.
Wer’s glaubt. Wenn man sich den Koalitionsvertrag genau ansieht, dann entpuppt sich darin enthaltene Mindestlohn als Mogelpackung. Die versprochenen 8,50 EUR sind noch viel zu niedrig, wenn man bedenkt, daß die Menschen auch irgendwann einmal eine einträgliche Rente erhalten wollen. Mit 8,50 EUR wird das schlicht nicht möglich sein. 10 EUR wäre dafür die angemessene Untergrenze.
Doch damit nicht genug. Statt dem Antrag der Linken über die Einführung eines Mindestlohns in der heutigen Parlamentssitzung zuzustimmen und damit sofort einen Mindestlohn in einer von einer vom Bundesarbeitsministerium berufenen Kommission festgelegten Höhe (von mindestens 8,50 EUR) in Kraft treten zu lassen, will die SPD die Menschen weiter hinhalten. Erst Anfang 2015 soll der Mindestlohn kommen.
Aber nicht für alle, denn die Tarifpartner können diesen Mindestlohn noch bis 2017 unterschreiten. Das hat zur Folge, daß nur Arbeitnehmer, die bisher unter tariflich völlig ungeregelten Bedingungen arbeiten, den Mindestlohn von 8,50 EUR erhalten. Wer einen Tarifvertrag hat, geht bis 2017 leer aus. Das wird vor allem Beschäftigte in den neuen Ländern treffen, aber auch viele bundesweit, denn 11 Prozent der geltenden Tarifverträge in Deutschland beinhalten Löhne unter 8,50 EUR.
Als würde das nicht ausreichen, um die SPD-Mitglieder von einer Zustimmung zum Koalitionsvertrag abzuhalten, enthält der Koalitionsvertrag noch weitere Schweinereien. So geht Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff davon aus, daß es weitere Ausnahmen vom Mindestlohn geben werde. Im Mindestlohn-Gesetz sollen auch Auszubildende und Langzeitarbeitslose vom Mindestlohn ausgeschlossen werden. Der Text im Koalitionsvertrag läßt solche Ausnahmen, etwa für Saisonarbeiter und andere Problembranchen, ausdrücklich zu.
Die Mitglieder der SPD sollten sich also sehr bewußt darüber sein, daß die Einführung eines Mindestlohns, die der Koalitionsvertrag scheinbar ermöglicht, nichts anderes ist als eine Mogelpackung. „Eine bunte Schachtel ohne Inhalt“, wie Kanzlerkandidat Steinbrück in anderem Zusammenhang einmal so treffend beschrieb. Deshalb: Genossen, stimmt gegen diesen Koalitionsvertrag!
Quelle: nd
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[Letzte Aktualisierung am 2024-10-23 at 00:57 / * = werbender Link (Affiliate) / Bilder von der Amazon Product Advertising API]