Schlagloch-Soli: So funktioniert Politik.

Verhalten, wie auf einem Basar.

Anzeige

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Albig hat die Ostertage hervorragend für sich genutzt. Mit der „Idee“ der Einführung eines „Schlagloch-Soli“ hat er wichtige PR für sich gemacht. Schließlich sind auch schlechte Nachrichten besser als gar keine Nachrichten. Und als Politiker aus dem drögen Norden hat man es bewiesenermaßen etwas schwer, in die Top-Nachrichten zu kommen, für die weitere politische Laufbahn ein eher suboptimaler Zustand.

Doch mit seinem „Schlagloch-Soli“ hat sich Albig auch in den Dienst für die Partei gestellt, auch nicht ganz unwichtig, wenn man später mal in der Bundespolitik mitmischen will. Mit der „Idee“ der Infrastruktur-Abgabe soll der Weg zur Einführung der PKW-Maut weiter geebnet werden. Da sich die SPD immer gegen eine allgemeine PKW-Maut gestellt hat, im Koalitionsvertrag aber genau eine solche mit CDU und CSU vereinbart hat, muß sie nun alles versuchen, den eigenen Mitgliedern und Anhängern die PKW-Maut irgendwie schmackhaft zu machen.

Um dies zu erreichen, greift sie tief in die politische Trickkiste. Was schon seit Jahrhunderten auf Basaren und Märkten funktioniert, hilft auch in der Politik. Man stellt zunächst eine völlig unrealistische Höchstforderung und trifft sich am Ende in der Mitte. Das ist dann zwar immer noch viel mehr, als der Kunde zunächst bereit war auszugeben, trotzdem ist dieser aber zufrieden, weil er die Höchstforderung abwehren konnte. Für den Händler bedeutet das einen satten Gewinn, aber alle sind glücklich.

Genau so funktioniert auch Politik. Man stellt zunächst eine Höchstforderung, alle regen sich auf und der mediale Shitstorm tobt, und dann einigt man sich auf eine abgeschwächte Form und jeder freut sich, daß es doch nicht ganz so schlimm gekommen ist, wie anfangs befürchtet. Die Einführung des elektronischen Reisepaß war dafür ein Paradebeispiel. Wurde zunächst die Zahl von über hundert Euro als Gebühr für den neuen ePaß kolportiert, kostet der Reisepaß heute 59 Euro. Das ist immer noch mehr als das Doppelte gegenüber der früheren Gebühr. Der geschröpfte Bürger ist trotzdem zufrieden, weil er ja – virtuell betrachtet – gut 50 Euro spart, gegenüber der zuerst genannten Gebühr von über hundert Euro. Und wieder sind alle zufrieden. Niemand regt sich heute mehr auf über die exorbitanten Gebühren für Reisepässe und Personalausweise und etwaige Kosten für sinnlose Zusatzfunktionen, die keinen Deut mehr Sicherheit bringen, ganz im Gegenteil.

Diesen Trick versucht die SPD nun bei der PKW-Maut. Die irrwitzige Idee der CSU, nur Ausländer mit einer PKW-Maut zu belasten, ist nicht durchsetzbar. Das wissen alle, auch die CSU selbst. Doch vereinbart ist vereinbart. So wird man nun alles versuchen, den Deutschen eine allgemeine PKW-Maut schmackhaft zu machen. Die Forderung nach einem „Schlagloch-Soli“ erfüllt genau diesen Zweck. Zunächst wird damit dramatisch sichtbar gemacht, wie schlecht unsere Straßen sind. Mehr Geld ist also dringend notwendig. Doch der deutsche Autofahrer will dafür nicht allein zahlen. Toll, daß die von Albig geforderten 100 Euro für den den „Schlagloch-Soli“ ziemlich genau der Summe für die von CSU-Verkehrsminister Dobrindt gewünschten PKW-Maut entspricht. Was liegt also näher, als den ausländischen Fahrer an den Kosten der Straßenreparatur zu beteiligen? Und da eine PKW-Maut nur für Ausländer nicht zu machen ist, stimmt der deutsche Autofahrer zähneknirschend einer allgemeinen PKW-Maut für jeden zu. Hauptsache es ist genug Geld für die Reparatur der Straßen und Brücken da und – ganz wichtig – der Ausländer muß mitbezahlen. Vielleicht kann man ja sogar unter den 100 Euro bleiben. Wieder sind am Ende alle glücklich. So funktioniert Politik.

Daß der deutsche Autofahrer schon heute über Kfz-Steuer und Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer viel mehr bezahlt, als für die Instandsetzung der Verkehrswege ausgeben wird, weil große Teile der Gelder im Bundeshaushalt versickert, geht im systematischen Medienrauschen gewollt unter. Fakten stören da nur. Auf dem Basar und in der Politik geht es vielmehr um Emotionen und deren gezielte Nutzung.

 

Anzeige

Schockwellen: Letzte Chance für sichere Energien und Frieden. Gewinner des getAbstract Business Impact Readers’ Choice Award 2023*
  • Schockwellen: Letzte Chance für sichere Energien und Frieden
  • Produktart: ABIS_BOOK
  • Farbe: White
  • Kemfert, Claudia (Autor)

[Letzte Aktualisierung am 2024-11-20 at 00:41 / * = werbender Link (Affiliate) / Bilder von der Amazon Product Advertising API]


Ein Kommentar

  • Thorsten

    Sehr amüsant geschrieben! 🙂 Ich denke aber auch, dass die Bevölkerung sich schnell mit so manchen Sachen abfindet, wenn die erstmal umgesetzt werden. Schlaglöcher müssen ja irgendwie finanziert werden.