Ungarn und die Flüchtlinge

Die Geschichte wiederholt sich. Ungarn wird mal wieder zum Dreh- und Angelpunkt in der europäischen Geschichte.

Wie sich die Bilder doch gleichen. Vor 26 Jahren waren es Menschen aus der DDR, die sich in Ungarn versammelten und die Ausreise nach Österreich und West-Deutschland verlangten. Auch sie kampierten in provisorischen Zeltlagern und versuchten die Flucht zu Fuß über die damals erst kurze Zeit durchlässiger gewordene Grenze zwischen Ungarn und Österreich. Nach vielen Wochen des Ausharrens unter zum Teil katastrophalen Bedingungen, zum Teil auch dem Gelände der bundesdeutschen Botschaft in Budapest, erlaubte Ungarn am 24. August 1989 die Ausreise. Nur mit ihrem DDR-Ausweis, die allermeisten Menschen aus der DDR besaßen ja keinen Reisepaß, durften sie nach Österreich ausreisen. Bereits vorher gelang einigen Menschen die Flucht über die Grenze, und am 19. August kam es in Rahmen des „Paneuropäischen Picknicks“ zu einer regelrechten Massenflucht von DDR-Bürgern unter den Augen der ungarischen Grenzposten.

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Fluchtbewegung heute

Welch zynischer Zufall, daß der Zug, der die Flüchtlinge in dieser Woche unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aus dem Bahnhof Budapest Keleti geholt hatte, ausgerechnet von einer Lok gezogen wurde, die mit einem großen Aufdruck versehen war, der auf dieses „Paneuropäische Picknick“ und das grenzenlose Europa hinwies.

Für die Flüchtlinge von heute gibt es dank der „Dublin-Verträge“ kein grenzenloses Europa. Der ungarische erzkonservative Ministerpräsident Viktor Orbán nutze die Flüchtlinge ganz einfach als Druckmittel. Zur gleichen Zeit als der Zug mit den Flüchtlingen in Richtung Westen startete, weilte Orbán in Brüssel und machte Druck. Der Zug war sein As im Ärmel, um der EU zu zeigen: „Seht her. Wenn ich nicht bekomme was ich will, lasse ich die Leute einfach nach Österreich und Deutschland durchfahren.“ Nach seinen Gesprächen in Brüssel ließ er den Zug wieder stoppen und die Menschen in Auffanglager transportieren. Wer sich weigerte, wurde im Zug seinem Schicksal überlassen.

Dublin III

Da die Versorgung der Flüchtlinge in Ungarn, ebenso wie in Griechenland und anderen Ländern, völlig unzureichend ist und die Menschen das ganz genau wissen, wollen sie sich nicht in Ungarn registrieren lassen. Denn das würde den bürokratischen Vorgang „Asylantrag“ in Bewegung bringen. Und nach dem Abkommen von Dublin müssen Flüchtlinge in dem Land bleiben und das Asylverfahren durchlaufen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben. Ob das Land dazu in der Lage oder nicht, ist ohne Bedeutung.

Doch das bürokratische Monster Dublin III wurde von der Fluchtbewegung 2015 ad acta gelegt. Weder Griechenland noch Italien oder Ungarn können die Massen an Flüchtlingen menschenwürdig unterbringen. Eine europaweite gerechte Verteilung der Flüchtlinge zu jeweils gleichen Bedingungen für die Menschen ist nun erforderlich. Deutschland und die anderen nordeuropäischen Länder können sich die Flüchtlinge mit solchen dubiosen Verträgen, wie Dublin III, nicht weiter von der Pelle halten. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis das auch die Politiker öffentlich zugegeben müssen.

Die Praxis vor Ort in den Kommunen, die die Flüchtlinge nun völlig unvorbereitet aufnehmen müssen, weil sich wegen der Dublin-Verträge niemand ernsthaft mehr auf einen Flüchtlingsansturm vorbereitet hat, ist da schon viel weiter. Die Menschen stimmen den Füßen ab, in welchen Land sie ihren Asylantrag stellen wollen, und die Kommunen müssen reagieren. So einfach ist das. Merkel und Co. können nur noch reagieren.

Orbán ist ein Schande für sein Land

Viktor Orbán ließ die Situation in seinem Land ganz bewußt eskalieren. Auf Kosten der Flüchtlinge, die ohne Versorgung, selbst Hilfsorganisationen wurde offenbar ganz bewußt der Zugang erschwert, vor dem Bahnhof Budapest Keleti kampieren mußten. Mit Kindern, Alten und Kranken.
Der Trick mit den vermeintlichen Zügen nach Österreich ist an Zynismus kaum mehr zu überbieten und das Selbstüberlassen der Menschen in den gestoppten Zügen war menschenverachtend.

Tausende Flüchtlinge machten sich deshalb zu Fuß auf den Weg nach Österreich, hunderte Kilometer über die Autobahn. Erst heute früh schickte Orbán Busse, die die Flüchtlinge nach Österreich bringen sollen. Deutschland und Österreich hatten sich in der Nacht bereit erklärt, diese Flüchtlinge entgegen der Dublin-Verträge bei sich aufzunehmen.

Ganz ähnlich wie 1989, als Ungarn sich über Verträge mit der DDR hinwegsetzte und die Menschen Richtung Westen ziehen ließ. Doch diesmal ist Ungarn in der Rolle des Bösen und Viktor Orbán ist eine Schande für sein Land.

Ungarn war für Deutschland seit 1989 das Land der Helden, die ein großen Anteil an der deutschen Wiedervereinigung haben. Dieses Bild hat Orbán nun nachhaltig zerstört. Der Umgang mit Flüchtlingen heute in Ungarn ist ein Verbrechen an der Menschlichkeit. Der Tag wird kommen, an dem Orbán dafür bezahlen muß.

 

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