Das Ende der DDR – hat sich die Revolution gelohnt?
Was hat die Revolution vom Herbst 1989 den Menschen gebracht? (Teil 2)
Im ersten Teil des Artikels ging es um die innere Einheit Deutschlands. Auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung am 03. Oktober 1990 steht es darum alles andere als besonders gut. Man hat sich an den Zustand und das flächenmäßig größere Land gewöhnt, mehr auch nicht. Die Menschen sind sich fremd geblieben. Jeder Teil Teil Deutschlands lebt größtenteils für sich.
Nur die Pendler zwischen den Welten, die aus beruflichen und wirtschaftlichen Zwängen meist von Ost nach West gezogen sind und heute ab und an ihre Verwandten besuchen, empfinden so etwas wie eine gesamtdeutsche Identität. Und deren Nachkommen können mit den Begriffen und Kategorien Ost und West nichts mehr anfangen. Verstärkt wird diese Empfindung, wenn die Kinder einer „Mischehe“ von Ost- und Westdeutschen entstammen.
Die alltäglichen Ressentiments, die auf beiden Seiten der ehemaligen innerdeutschen Grenze bis heute überlebt haben, spüren sie jedoch deutlich und wissen doch umso genauer, wie sinnlos und unnötig diese eigentlich sind.
Hat sich das Aufbäumen gegen die SED-Obrigkeit gelohnt?
Wenn man also festhalten kann, daß die echte innere Einheit Deutschlands bis heute nicht vollzogen werden konnte, stellt sich umso mehr die Frage, was die Revolution im Herbst 1989 den Menschen in der DDR gebracht hat.
Durch die Einführung der D-Mark 1990 wurde die – zugegebenermaßen mehr schlecht als recht – existierende Wirtschaft in der DDR flächendeckend und nachhaltig zerstört. Die daraufhin einsetzende Massenarbeitslosigkeit hat vielen Menschen auf drastische Weise die Augen geöffnet. Ihr Traum von der D-Mark und dem damit über sie hereinbrechenden schnellen Wohlstand zerplatzte in der Schlange von den Schaltern der zahlreichen Arbeitsämter, die in Windeseile landauf, landab gebaut wurden.
Freiheit
Doch da war es bereits zu spät. Ihre gerade erst errungene persönliche Freiheit wurde durch die nun herrschenden wirtschaftlichen Zwänge ganz schnell wieder einkassiert. Zwar konnten die Menschen jetzt mit einem Reisepaß in alle Welt reisen, ohne Antrag und ohne daß sie Gefahr liefen, an der Grenze erschossen zu werden, doch diese Freiheit besteht nur theoretisch. Praktisch muß man sich diese Freiheit auch finanziell leisten können. Doch das war auch zu DDR-Zeiten nicht anders. Auch da mußte man sich einen Urlaub leisten können, geschenkt bekam man als einfacher Arbeiter die Reise nach Ungarn oder an die Ostsee auch nicht.
Viel schwerer wiegen aber die demokratischen Freiheiten, die nun jeder für sich beanspruchen kann. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Schutz der Privatsphäre, Rechtsstaatlichkeit, Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit. Für die Erlangung dieser Freiheiten hat sich die Revolution im Herbst 1989 definitiv gelohnt.
Davon konnte man in der DDR unter der Herrschaft der SED nur träumen. Denn wer es wagte diese Freiheiten einzufordern, landete ganz schnell im Gefängnis. Heute kann man seine Rechte dagegen Mithilfe einer unabhängigen Justiz durchsetzen. Ein echter Gewinn für alle Deutschen.
Die Macht des Geldes
Doch viele dieser Rechte bzw. deren Durchsetzung muß man sich leisten können. Wer kein Geld hat, kann sich auch keinen Anwalt zur Durchsetzung seiner Interessen vor Gericht nehmen. Die finanziellen Möglichkeiten grenzen die Wahrnehmung viele Rechte deshalb heute auf unzulängliche Weise ein. Insofern hat sich für viele Menschen aus der DDR nicht viel verbessert. War man früher der Willkür des Staates ausgesetzt, dominiert heute die Macht des Geldes. Das Kapital regiert, Karl Marx hatte Recht.
Und Willkür des Staates bekommt man heute noch zu spüren. Manch ein „Kunde“ im Arbeitsamt weiß, wie schnell persönliche Freiheit hier an ihre Grenze stoßen kann. Wer sich nicht fügt, bekommt die finanzielle Keule zu spüren. Einfach und effektiv. Hartz4 und Co. haben die Freiheit der Menschen massiv eingeschränkt.
Wir leben heute in einer Überflußgesellschaft. Vielen geht es wirtschaftlich deutlich besser als in der DDR, allerdings zu dem Preis, daß sie ihre Heimat verlassen mußten, um in Westdeutschland zu arbeiten. Doch die Macht des Arbeitgebers ist täglich spürbar. Senkt er über dem Arbeitnehmer den Daumen in Form der Kündigung, dann ist es mit dem wirtschaftlichen Wohlstand ganz schnell wieder vorbei. Nach nur einem Jahr droht jedem Arbeitslosen, egal wie lange er vorher in die Arbeitslosenkassen eingezahlt hat, das Abrutschen in Hartz4. Und dann nutzen volle Schaufenster genau so wenig wie die theoretische Reisefreiheit, man kann sich dann beides nicht mehr leisten.
Nur die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) kann die Lösung für diese Freiheitsbeschneidung sein. Insofern wurde die Revolution von 1989 noch nicht zu Ende gegangen.
Überwachung
Auch an anderer Stelle lebt die DDR heute munter weiter. In der Beschneidung der bürgerlichen Rechte ist das heutige Deutschland an manchen Stellen weiter, als dies DDR und Stasi das jemals waren. Die allumfassende Überwachung der Bevölkerung hat inzwischen Ausmaße erreicht, von denen Stasi-Chef Mielke nur träumen konnte.
So werden heute wieder systematisch private Briefe geöffnet und erfaßt, werden E-Mails überprüft, wird die Videoüberwachung des öffentlichen und privaten Raums massiv ausgeweitet und macht die Vorratsdatenspeicherung alle Bürger zu Täter. Die Unschuldsvermutung, die vor Gericht für alle gelten sollte, wird bei der elektronischen Erfassung aller Internet-, Telefon und Handyaktivitäten kurzerhand außer Kraft gesetzt.
Darüber hinaus haben die Geheimdienste mittlerweile ein Eigenleben entwickelt, das nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheidet und das sich je nach gusto auch über Recht und Gesetz hinwegsetzt. BND, Verfassungsschutz und Co. sind außer Rand und Band und niemand macht ernsthaft den Versuch, sie wieder an die rechtsstaatliche Kette zu legen.
In diesem Punkt hat sich für die Menschen der ehemaligen DDR grundsätzlich nichts geändert. Nur heute erfolgt die Überwachung zudem viel professioneller und effektiver. Während die Stasi mit mehreren hunderttausend Mitarbeitern jeden „Abtrünnigen“ mit hohem Aufwand persönlich überwachen mußte, genügt heute ein Mausklick und die Überwachung und die Verknüpfung von Daten aus den verschiedensten Quellen läuft an.
Dieser unhaltbare Zustand ist eine große Gefahr für die Demokratie in diesem Land. Auch in diesem Punkt hat die Revolution von 1989 ihr Ziel noch nicht erreicht.
Es bleibt also noch viel tun, für die Schaffung der inneren Einheit Deutschlands und für die Erlangung der vollständigen und zu keinem Zeitpunkt beschnittenen bürgerlichen Rechte eines jeden Einzelnen. Packen wir es an.
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