Brexit: So läuft die Abstimmung in Großbritannien.
Und das passiert nach der Abstimmung, wenn die Briten für den Ausstieg stimmen.
Am morgigen Donnerstag ist es soweit. Der Schicksalstag des alten Europa steht an. Die Briten stimmen über den Ausstieg aus der Europäischen Union (Brexit) ab. Ganz Europa blickt gespannt auf die Insel und die Auszählung in der Nacht vom Donnerstag und Freitag.
Die Abstimmung
Premier David Cameron höchstpersönlich hatte den Briten im Jahr 2013 die Abstimmung zugesagt, um innenpolitisch Ruhe zu bekommen. Morgen muß er das Versprechen einlösen.
Die Frage auf den Abstimmungszetteln ist ganz einfach:
Soll das Vereinigte Königreich in der Europäischen Union bleiben oder soll sie die EU verlassen?
Es gibt als Antwortmöglichkeiten nur „In der EU bleiben“ oder „EU verlassen“
Von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr abends (britischer Zeit, entspricht 8 -23 Uhr MESZ) sind die Wahllokale geöffnet. Auch die Menschen in Gibraltar darf mit abstimmen. Nach Schließung der Wahllokale beginnt das Auszählen der Stimmen und das Zittern der restlichen EU.
Um es ganz spannend zu machen, wird es weder Prognosen noch Hochrechnungen geben. Man erwartet, daß das Ergebnis der Abstimmung über den Brexit gegen 3 bis 5 Uhr MESZ Freitag morgen vorliegen wird.
Was passiert, wenn der Brexit beschlossen wird?
Stimmt eine Mehrheit der Briten morgen für den Brexit, dann kann Großbritannien nach Artikel 50 des EU-Vertrages die Union verlassen. Dafür sind folgende Schritte nötig:
- Großbritannien informiert alle EU-Staaten über die Austrittsabsicht.
- Die verbleibenden EU-Staaten legen die Leitlinien für die Austrittsverhandlungen mit den Briten fest.
- Das dafür bestimmte Gremium, bspw. die EU-Kommission, tritt mit Großbritannien in die Verhandlungen ein und handelt ein Abkommen über des Austritt und die künftigen Beziehungen aus.
- Die verbleibenden EU-Staaten beschließen dieses Abkommen nach Absegnung des Abkommens durch das Europaparlament.
- Sollte kein Abkommen zustande kommen, scheidet Großbritannien nach zwei Jahren automatisch, dann aber völlig ungeregelt aus der EU aus. Das wäre dann das absolute Chaos.
Wie könnte das Verhältnis der EU zu Großbritannien künftig aussehen?
Wie das Verhältnis der EU zu einem ausgetretenen Großbritannien künftig aussehen könnte, dazu gibt es heute noch gar keine Festlegungen. Noch hoffen alle EU-Staaten und die EU-Institutionen, daß sich die Briten für den Verbleib in der Union entscheiden. Das ist die Wunschvorstellung aller.
Sollte es dennoch anders kommen, hat man 2 Jahre Zeit, die künftigen Beziehungen zu verhandeln.
Norwegen
Möglich wäre eine Beziehung, wie sie heute zwischen der EU und Norwegen besteht. Norwegen hat freien Zugang zum Binnenmarkt, muß dafür aber zahlreiche EU-Regeln befolgen, etwa die Freizügigkeit für Arbeitnehmer oder den freien Dienstleistungsverkehr. Norwegen zahlt zudem jährlich knapp 400 Millionen Euro Fördergelder an schwächere EU-Länder.
Schweiz
Denkbar wäre aber auch das „Modell Schweiz“. Die Beziehungen der EU zur Schweiz werden durch zahlreiche Verträge und Abkommen geregelt. Die Schweiz hat Zugang zu wichtigen Teilen des EU-Binnenmarktes, muß dafür aber ebenfalls zahlreiche EU-Regeln einhalten und finanzielle Beiträge leisten. Besonders durch den Zugang zum Bereich der Finanzdienstleitungen profitiert die Schweiz von der Zusammenarbeit mit der EU.
Insgesamt gesehen ist das „Modell Schweiz“ jedoch sehr aufwendig und kompliziert, da jede Kleinigkeit durch Verträge geregelt werden muß. Deshalb wird die EU wohl vermeiden, noch einmal solch ein Modell der Zusammenarbeit zu akzeptieren.
WTO
Sollten die EU und das ausgetretene Großbritannien sich nicht auf neue vertragliche Beziehungen einigen könne, dann wird der Handel künftig nach den Regeln der Welthandelsorganisation abgewickelt. Großbritannien bleibe dann der Zugang zum Binnenmarkt der EU weitgehend verwehrt. Das dürfte für die Wirtschaft und die Finanzindustrie der Insel das Worst-Case-Szenario darstellen.
Weitere Auswirkungen des Brexit
Reiseverkehr
Sollte der Brexit kommen, dann sind neben den wirtschaftlichen Zusammenhängen viele weitere Dingen zu regeln, u.a auch für Touristen. Beispielsweise könnte es dazu kommen, daß man künftig nicht mehr nur mit seinem Personalausweis auf die Insel reisen kann. Auch die Visumfreiheit steht dann zur Disposition. Großbritannien müßte mit jedem einzelnen Land entsprechende Regelungen treffen, wann und wie deren Staatsbürger einreisen dürfen.
Domino-Effekt
Wovor die EU jedoch mehr Angst hat als die Abschaffung der Visumfreiheit, ist der befürchtete Domino-Effekt, den ein Brexit auslösen könnte. In vielen Ländern gibt es derzeit antieuropäische Stimmung, bspw. in Frankreich, Ungarn oder Polen. Zwar profitieren besonders die erst kürzlich zur Union gestoßenen Länder von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, doch davon würden sich wohl nationalistische Parteien kaum abhalten lassen und ebenfalls die Mitgliedschaft zur Abstimmung stellen.
Innenpolitische Auswirkungen
Auch in Großbritannien dürfte der Brexit enorme politische Auswirkungen haben. Schon heute zeichnet sich ab, daß Schottland abermals eine Abstimmung über die eigen Abspaltung von Großbritannien abhalten wird, wenn Großbritannien aus der EU austritt.
Auch steht zu befürchten, daß in Nordirland die relative Ruhe der letzten Jahre zu Ende sein wird, den nach dem Brexit geht dann eine EU-Außengrenzen quer über die irische Insel und spaltet den Norden noch stärker von der Republik Irland ab. Das werden die Iren wohl nicht hinnehmen.
Nach den letzten Umfragen werden wohl rund die Hälfte der Briten für den Verbleib stimmen und die andre Hälfte für den Austritt aus der EU. Wenige Prozente werden deshalb das weitere Schicksal Großbritanniens entscheiden. Das Land ist in dieser Frage also tief gespalten. Wie immer die Abstimmung ausgeht, die Menschen wieder zu vereinen, dürfte danach äußerst schwierig werden.
Europas Schicksalstag
Egal, wie morgen die Abstimmung der Briten zum Brexit ausgeht. Diese Abstimmung enthält eine gehörige Menge Sprengstoff für die Innenpolitik Großbritannien und der gesamten Europäischen Union. Der morgige Donnerstag, der 23.06.2016 dürfte damit zum Schicksalstag des alten Europa werden.
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