Der Fall Özil und der DFB

Was die unsäglichen Schuldzuweisungen vor allem über den DFB selbst aussagen.

Die Fußball Weltmeisterschaft in Rußland geht in dieser Woche zu Ende. Für die deutschen Kicker ist das Spektakel schon seit einigen Tagen früher zu Ende. Nach einer blamablem Vorstellung schied die deutsche Nationalmannschaft bereits nach der Vorrunde aus, und das als noch amtierender Weltmeister. Die Fußball Profis genießen deshalb in ihren Urlaub in diesem Jahr etwas länger als geplant.

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Die Aufarbeitung dieser Schmach ist jedoch alles andere als professionell. Der DFB scheut sich mal wieder, eine echte Ursachenforschung anzugehen und die verantwortlichen Personen versuchen den eigenen Kopf zu retten. Das ist insoweit verständlich, läßt es sich an den prall gefüllten Fleischtöpfen des Deutschen Fußball Bundes (DFB) doch herrlich auskommen.

Özil ist schuld!

Wie sie diese Eigenrettung jedoch durchführen, ist mehr als schäbig. Mesut Özil, deutscher Fußballer mit deutschem Paß und im deutschen Trikot auf dem Platz, „leider jedoch“ mit türkischen Wurzeln, soll ganz allein für das Desaster der deutschen Nationalmannschaft verantwortlich gewesen sein. Zumindest wenn man den Verlautbarungen der letzten Tagen glauben möchte.

Nachdem sich der „Bundestrainer“ Joachim Löw für das Weitermachen entschieden hat, was zunächst das Bewältigen es eigenen Jahresurlaubs bedeutet, die 3,8 Millionen Euro Jahressalär wollen schließlich durchgebracht werden, freilich ohne sich vorher der durchaus berechtigten Kritik zum Agieren vor und während dieser Fußball WM zu stellen, kommen dieser Tage vor allem Stimmen aus dem Hintergrund zu Wort.

Als Erster hat sich dabei „Teamchef“ Oliver Bierhoff negativ hervorgetan. Der fütterte die Medien aus nachvollziehbarem Eigeninteresse mit der These von der Alleinschuld Özils. Dabei sei noch einmal an Bierhoff Funktion erinnert. Mehr falsch machen, kann man als TEAMchef eigentlich nicht, wenn man nach solch einer Pleite einzelne Spieler herausgreift und diese medial vernichten will. Über die Besetzung des Teamchefs sollte der DFB wohl zuallererst nachdenken, wenn es darum gehen soll, künftig ein solches Desaster bei einer WM oder EM zu vermeiden.

Doch der DFB läßt erkennen, daß auch ihm nichts an einer echten Aufarbeitung liegt. Nicht nur daß man mehr oder weniger kommentarlos hat Löw in den Urlaub entschwinden lassen, nein macht stößt auch noch in das Horn wie Bierhoff. DFB-Präsident Reinhard Grindel attackiert ebenfalls Özil und gibt ihm praktisch allein die Schuld für das frühe Aus der deutschen Nationalelf. Dieses Verhalten nur unappetitlich zu nennen, geht am Kern eindeutig vorbei. Hier müssen tatsächlich Köpfe rollen, der von Özil oder einem anderen Spieler jedoch zu allerletzt.

Özils „Versagen“

Nun fragt man sich natürlich, was Mesut Özil so Schreckliches verbrochen haben könnte, daß deshalb gleich ganz Fußball-Deutschland in Trümmern liegt. Die Antwort ist ernüchternd. Es waren Fotos! Für die Generation Instagram also täglich Brot. Allerdings hat Mesut Özil diese Fotos zusammen mit Fußball Kollege Ilkay Gündogan in der Türkei gemacht. Das war noch nicht ganz so schlimm. Viel schlimmer war die dritte Person auf den gemeinsamen Fotos, und das war niemand geringeres als der türkische Präsident Erdogan. Wie können Özil und Gündogan das wagen!? Auf einem Foto mit Erdogan? Unglaublich, oder?

Diese Fotos haben offizieller Lesart die deutsche Öffentlichkeit so geschockt, daß sich das auf die deutschen Fußballspieler übertragen hat, die deshalb nicht mehr richtig spielen konnten und deshalb nicht wieder Weltmeister geworden sind. Man will es kaum glauben, ab das ist die kursierende, und auch vom DFB offenbar favorisierte Version der Vorgänge.

Die Fotos mit Erdogan waren Özils, für das er nun zur Rechenschaft gezogen werden soll. Sonst gab und gibt es keine weiteren Kritikpunkte am DFB, am Trainer Löw, an der Mannschaft hinter Löw,, an den anderen Spielern und nicht zuletzt an den Medien, die das Thema „Özil & Erdogan“ ganz bewußt am Köcheln hielten. Man möchte es eigentlich nicht glauben, doch der Blick auf den Kalender und das zu füllende nachrichtenarme Sommerloch erklären den Intelligenzausfall in den Redaktionsstuben.

Fussball im Tor

Fussball im Tor

Eine Bilanz

Wenn man sich dem Thema einmal ganz nüchtern nähert, was die Medien und der DFB aus nachvollziehbarem Eigennutz nicht tun wollen, dann muß man folgendes feststellen:

Erdogan
Recep Tayyip Erdoğan ist zum einem demokratisch gewählter Präsident der Türkei. Sein menschenverachtender, autokratischer Politikstil ist trotzdem diskussionswürdig. Daneben ist Erdogan auch Präsident von NATO-Partner Türkei und soll mit vielen Milliarden EURO ausgestattet, Europa vor den bösen Flüchtlingen schützen. Für Merkel und Co. ist es ganz selbstverständlich mit Erdogan zu verhandeln und mit ihm auch Fotos zu machen.

Özil
Wie also soll ein knapp 30 Jahre alter Fußballer da einen Unterschied für sich erkennen. Den jungen Männer, die im Fußball eine Karriere anstreben, wird im Allgemeinen keine große Intelligenz nachgesagt, was natürlich auch schon wieder eine Verallgemeinerung und damit Quatsch ist. Trotzdem scheint diese These von Fall zu Fall zuzutreffen. Zudem werden diese jungen Menschen, wenn sie es denn in höchste Ligen geschafft haben, mit Geld geradezu zugeschissen und müssen sich um den täglichen Kram des Alltags nicht mehr kümmern. Sie werden mehr gepampert als ein Neugeborenes und glauben irgendwann selbst an die eigene Wichtigkeit, die ihnen der Verein bzw. Verband und die Medien immer einreden. Dabei geht es nur um ein Spiel mit einem Ball, für das allerdings viele Menschen unverständlicherweise bereit sind, viel Geld auszugeben.

Die Spieler sind Teil einer großen Geldmaschine und werden von Termin zu Termin zuschickt, ohne sich selbst darüber groß Gedanken zu machen oder zu machen zu müssen. So kam sicherlich auch der Termin bei Erdogan zustande. Sicherlich ein besonderer Termin für die türkischstämmigen Özil und Gündogan (beide sind in Gelsenkirchen geboren), aber letztlich auch nur ein Termin von vielen rund um die eigene Vermarktung. Groß darüber nachgedacht werden sie sicherlich nicht haben.

Nationalmannschaft, FIFA & DFB
Der DFB ist genauso wie die FIFA zunächst einmal eine private Vereinigung. Nicht mehr und nicht weniger. Als Verein genießt der DFB darüber hinaus sogar steuerliche Vorteile. Niemand ist gezwungen sich im DFB zu organisieren. Jeder kann theoretisch jederzeit einen Fußballverband gründen und darin einzelne Fußballvereine organisieren, völlig unabhängig vom DFB. Der DFB ist nichts Offizielles oder gar Staatliches. In dem Zusammenhang wird oft auch die Bezeichnung Bundestrainer in Anlehnung an Bundeskanzler oder Bundespräsident mißverstanden. Der Bundestrainer heißt so, weil er zum Deutschen Fußball Bund gehört, und nicht weil er irgendeine Funktion im Zusammenhang mit der Bundesrepublik besitzt. Wenn man das verstanden hat, dann verblaßt bereits einiges vom Glanz, den viele mit dem Job des Bundestrainers verbinden.

Genauso verhält es sich mit der Nationalmannschaft. Der Name verheißt irgendeine offizielle Funktion innerhalb des Staates, praktisch Gesandte des Außenministeriums auf dem Rasen der Stadien der Welt. Mitnichten ist diese Überhöhung gerechtfertigt. Diese Nationalmannschaft ist ein Zusammenschluß von rein materiell agierenden Menschen. Das ist nicht Verwerfliches, man muß es nur beim Namen nennen. Die Profis spielen vor allem deshalb so gern bei einer Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft mit, weil sie sich so besser präsentieren und ihren Marktwert steigern können. und natürlich wegen der möglichen fetten Prämien. Nicht wenige Wechsel eines Fußballprofis ins Ausland zu einem Verein wird bei solch einem internationalen Wettbewerb angestoßen. Daß sie dafür in einem Nationaltrikot auflaufen ist schönes Beiwerk, nicht wenigen dürfte dabei jedoch einigermaßen egal sein, für welches Land sie offiziell auf dem Platz stehen. Diese Überhöhung zur Nationalmannschaft in den Augen der Fans ist deshalb reine Folklore.

Kommen wir zu guter Letzt zur FIFA. Auch diese finanzkräftige Vereinigung ist nichts weiter als ein rein privates wirtschaftlich orientiertes Unternehmen. Damit sind auch die Auswüchse mit Sponsoren, Reklame, Rechten und dem vielem, vielem Geld zu erklären. Aber auch hier ist niemand gezwungen mitzumachen. Jeder könnte einen eigenen Verband gründen und eigene Weltmeisterschaften veranstalten, ganz so wie man es aus dem Boxsport kennt. Die ganze Herrlichkeit ist nur aufgebauscht.

Fazit

Wenn man diese Bilanz zieht, dann fällt die ganze Aufregung um die Nationalmannschaft, die WM und Özil in sich zusammen, wie ein Soufflé im Kühlschrank. Jeder will so viel Geld wie möglich für sich allein aus der Geldmaschine Fußball ziehen und versucht möglichst lange an den Fleischtrögen zu verweilen. Anstatt sich mit eigentlichen Problemen zu beschäftigen, wie mangelnder Einsatzwille der Spieler und Unfähigkeit des Trainers, wird ein leichtes Opfer gesucht. Dieses scheinen DFB und Verantwortliche wie Bierhoff in Mesut Özil gefunden zu haben. Die latent in diesem Land vorhandene Ausländerfeindlichkeit und das fortwährende Flüchtlingsthema spielen sicherlich eine gewisse Rolle.

Man kann nur hoffen, daß Özil die richtigen Menschen um sich hat, die ihm den notwendigen Halt geben.

 

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