Brexit: Das gilt ab 01. Januar 2021

Trotz Deal in letzter Sekunde wird der Brexit massive Auswirkungen haben.

Morgen ist es (endlich) soweit, die Briten verlassen die EU endgültig. Die letzte Übergangsfrist zum Ausstieg aus der Europäischen Union läuft ab. Der Brexit ist tatsächlich auch praktisch Wirklichkeit geworden.

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Damit ist nun vieles wieder anders zwischen der Insel und Kontinental-Europa. Nur weniges davon – wenn überhaupt – dürfte sich zum Besseren ändern, die Nachteile auf beiden Seiten überwiegen.

Zwar ist es praktisch in letzter Sekunde noch gelungen, einen Nodeal-Brexit zu verhindern, doch das über 1.200 Seiten starke Abkommen hat es in sich. Das werden vor allem die Briten aber auch alle Europäer ab Morgen früh, 01.01.2021 0:00 Uhr zu spüren bekommen.

Auswirkungen des Brexit im Detail

Kaum ein Lebensbereich wird davon ausgenommen bleiben, was das Zusammenleben von Vereinigtem Königreich und Europa betrifft. Das wird sich auf die Wirtschaft und den Warenaustausch aber auch auf das ganz normale Leben eines jeden Einzelnen auswirken.

Flagge Grossbritannien

Flagge Grossbritannien

Diese Brexit Regeln gelten ab 01. Januar 2021:

Warenverkehr

Durch den Lastminute-Deal bleiben der Wirtschaft zumindest Zölle und festgelegte Importmengen erspart. Trotzdem dürfte es zu langen Schlangen an den Grenzübergangspunkten kommen, da ab morgen die Bürokratie sich wieder voll ausleben kann. Sämtliche LKW, Container, Schiffe und Flugzeugfracht wird nun wieder kontrolliert und für jede Fracht müssen Zollerklärungen, Lieferscheine und je nach Produkte zudem Zertifikate, Gesundheitszeugnisse und andere Nachweise beim Grenzübertritt von Großbritannien in die EU und umgekehrt vorgelegt werden.

Die Briten wollen den Im- und Exporteuren zwar eine Übergangsfrist bis Mitte 2021 einräumen, die EU will aber -Stand heute – bereist ab 01. Januar mit den Kontrollen starten. Das wird unweigerlich zu Verzögerungen führen, schon weil niemand mehr Zeit hatte, sich auf die jetzt geltenden Bedingungen einzustellen.

Wirtschaft

Für die EU war (und ist es noch) Großbritannien ein wichtiger Wirtschaftspartner. Die Einschnitte werden auf Seiten der Briten aber sicher spürbarer ausfallen. Vor allem der wichtige Finanzsektor wird unter dem Brexit leiden. Die britischen Banken können in der EU künftig nur noch eingeschränkt tätig werden. Für große Teile des Dienstleitungssektors gibt es bislang noch überhaupt keine Regelungen im mit heißer Nadel gestrickten Handelsvertrag.

Die EU-Fischer bekommen künftig geringere Fangquoten, bis zu 25 Prozent weniger sind vereinbart, die Briten hatten bis zuletzt auf 80 Prozent weniger gepocht. Dafür bekommen die britischen Fischer weiterhin praktisch unbeschränkten Zugang zum EU-Markt.

In der EU zum jetzigen Zeitpunkt geltende Umwelt- und Sozialstandards müssen die Briten auch künftig einhalten und dürfen diese nicht unterbieten. Weitere Änderungen an diesen Standards innerhalb der EU müssen die Briten aber nicht mehr mitmachen. Übermäßige Subventionen für bestimmte Branchen können auf beiden Seiten zu Strafzöllen führen, darüber entscheiden künftig Schiedsgerichte.

Tourismus

Im Tourismus wird sich – einmal abgesehen von der besonderen Lage durch Corona – zunächst nicht viel ändern. EU-Bürger und Briten dürfen weiterhin ohne Visum zu touristischen Zwecken in das jeweilige andere Gebiet einreisen und dort bis zu 90 Tage verbleiben. Ab dem 01. Oktober 2021 kann dies aber nur noch mit einem Reisepass erfolgen, die Einreise mit einem Personalausweis ist dann für EU-Bürger nicht mehr möglich. Briten können dann nicht mehr an automatischen E-Gates einchecken und müssen zur Kontrolle durch die Grenzpolizei. PKW-Fahrer benötigen künftig einen internationalen Führerschein für Fahrten im jeweils anderen Gebiet.

Das alles gilt nur für private Reisen. Für Geschäftsleute könnte es noch komplizierter werden., Details dazu gibt es bislang noch nicht. Zumindest die Fluggesellschaften dürfen auch weiterhin vom Vereinigten Königreich in die EU und umgekehrt fliegen, Flüge zwischen zwei Orten in der EU bzw. UK sind jedoch nicht mehr erlaubt.

Studium

Studierende aus der EU benötigen künftig ein Visum, wenn sie länger als 6 Monate an einer Universität in Großbritannien studieren wollen. Zudem werden sich die Studiengebühren ab Sommer wohl mindestens verdoppeln. Außerdem ist künftig eine zusätzliche britische Krankenversicherung notwendig. Und als ob das noch nicht genug wäre, steigt Großbritannien ab 01.01.2021 auch noch aus dem Erasmus-Programm aus.

Für Studierende aus dem Vereinigten Königreich in der EU gelten ab morgen ähnliche Vorgaben. Damit dürfte der Austausch von Studenten wohl schnell abnehmen. Wer nicht über ausreichende finanzielle Möglichkeiten verfügt, dürfte bei der Suche nach einem Studienplatz im Ausland um die britische Insel einen großen Bogen machen.

Auswandern

Die rund 4 Millionen EU-Bürger, die derzeit in Großbritannien leben, dürfen – sofern sie keine schwere Straftat begangen haben – auch weiterhin bleiben. Allerdings müssen sie bis spätestens 30. Juni 2021 einen sogenannten „Settled Status“ oder „Pre-Settled Status“ bei den britischen Behörden beantragen. Andernfalls droht im schlimmsten Fall die Abschiebung.

Auch die derzeit 1,3 Millionen Briten, die derzeit in der EU leben, können bleiben. Ein Umzug von einem EU-Land in ein anderes könnte jedoch problematisch werden.

Wer erst jetzt daran denkt, nach Großbritannien auszuwandern, der hat es künftig schwer. Die sogenannte Personenfreizügigkeit zwischen der EU und UK ist durch den Brexit Geschichte. EU-Bürger können nur noch mit einem Visum nach Großbritannien umziehen. Die Vergabe dieser Visa erfolgt nach einem Punktesystem für Einwanderungsanträge von EU-Bürgern. Punkte erhält man etwa für Englischkenntnisse, ein Einkommen von mindestens 20.480 Pfund pro Jahr, eine fest zugesagte Arbeitsstelle usw., wer bei diesem Punktesystem leer ausgeht, hat Pech gehabt. Problematisch dürfte auch die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen werden.

Nordirland

Das weitere Schicksal von Nordirland war bis zuletzt ein Zankapfel. Jetzt hat man sich darauf endgültig geeinigt, dass Nordirland einen Sonderstatus bekommt. An der Grenze zwischen Nordirland (UK) und der Republik Irland (EU) wird aus künftig keine Kontrollen geben. Nordirland bleibt zwar Teil des britischen Zollgebietes aber auch Teil des EU-Binnenmarktes in dem die EU-Zollvorgaben gelten. Notwendige Kontrollen werden an den Häfen und Flughäfen der irischen Insel durchgeführt.

Außerdem bleibt Nordirland im Erasmus-Programm, bezahlt von der Regierung Irlands. Für Studierende eine wichtige Info.

Gibraltar

Auch um Gibraltar gab es immer wieder Streit auch schon lange vor dem Brexit. Spanien ist der kleine Felsen schon lange ein Dorn im Auge. Um Gibraltar wegen des Brexit nicht in ein komplettes Chaos zu stürzen, hat man sich darauf geeinigt, dass Gibraltar dem Schengenraum beitritt. Damit sind auch künftig problemlos Grenzübertritte von Spanien nach Gibraltar und umgekehrt möglich. Ein cleverer Schachzug, ansonsten hätte dem britischen Überseegebiet Gibraltar die totale Isolation gedroht. Die zahlreichen spanischen Bürger, die tagtäglich in Gibraltar zur Arbeit gehen, werden aufgeatmet haben, das sie auch weiterhin problemlos über die Grenze kommen.

Die EU-Außengrenze wird an den internationalen Flughafen von Gibraltar verlagert. Dort soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex die Reisenden kontrollieren, ein Zugeständnis an Spanien, für viele Menschen in Gibraltar sicherlich eine echte Kröte, die sie schlucken müssen.

Europäische Union

Europäische Union

Fazit

Das Drama namens Brexit ist tatsächlich zum Abschluss gekommen, zumindest die Verhandlungen darüber. Die Auswirkungen des Austritts der Briten aus der EU werden die Menschen und die Wirtschaft erst in den kommenden Wochen und Monaten voll zu spüren bekommen. Das Chaos an den Grenzen nach Silvester beim LKW-Verkehr ist aber schon jetzt absehbar.

Und das ist noch lange nicht alles, denn noch sind längst nicht alle notwendigen Absprachen und Regelungen getroffen, vieles wurde bisher gar nicht beachtet und so manches Problem wird erst in den nächsten Wochen zutage treten. Und dass die Schoten schon jetzt laut daran denken, das Vereinigte Königreich zu verlassen und wieder in die EU einzutreten, dürfte noch für einigen Sprengstoff sorgen.

Auf die Menschen in der EU und vor allem auf die Briten kommen harte Zeiten zu. Die immer noch grassierende Corona Pandemie ist dabei nur ein Teil des Problems.

 

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