Warum die Corona Euphorie verfrüht ist.

Gefährlicher Wahlkampf mit Impfstoffen und Impfintervallen

Lockerungen und normales Leben allerorten, man könnte meinen, Corona wäre endgültig vorbei. Doch diese von einigen Medien, allen voran natürlich wieder einmal BILD & Co., aber auch von großen Teilen der Politik geschürten Hoffnungen auf Sommer-Urlaub und den scheinbar so wichtig gewordenen Biergarten dürften verfrüht kommen.

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Hohe Inzidenzwerte

Noch immer haben wir (Stand heute, 11.5.21) eine bundesweite Inzidenz von 115,4. Im vergangenen Jahr, zu Beginn der Pandemie galt alles über einem Inzidenzwert von 50 als absolutes Untergangszenario. Der Mensch gewöhnt scheinbar an alles, auch an schlechte Nachrichten und Inzidenzen. Die aktuelle Wert geht zwar weiter zurück, aber nur in ganz kleinen Schritten. Viele Landkreise sind noch immer weit über 100 und manche, zur Zeit vor allem in Thüringen und Sachsen auch über 200.

Woher also die bundesweit einsetzende Euphorie kommt, ist anhand der Infektionszahlen nicht zu erklären.

Impfungen

Auch beim Thema Impfen stehen wir noch immer am Anfang. Stand heute wurden zwar 32,8 Prozent der Bevölkerung bereits geimpft, allerdings nur mit der Erst-Impfung. Und dass diese Erstimpfung – bis auf den Wirkstoff von Johnson&Johnson, für den nur eine Spritze notwendig ist – keinen sicheren Schutz darstellt, hat gerade aktuell Bundesinnenminister Seehofer unter Beweis gestellt. Der erhielt am 14. April 2021 seine erste Spritze mit dem Biontech Impfstoff. Gestern wurde bekannt, dass Seehofer positiv auf Corona getestet wurde.

Ohne die 2. Spritze ist niemand wirklich ausreichend sicher vor Corona geschützt. Das darf nicht vergessen werden. Und nur 9,4 Prozent haben bis heute in Deutschland ihre zweite Impfung erhalten und nur diese Menschen gelten offiziell als „Geimpfte“. Das sind sehr wenige und kein Grund für Euphorie. Erst ab einer Impfquote von mindestens 75 Prozent ist die sogenannte Herdenimmunität möglich, und erst dann ist es möglich, das Coronavirus in Schach zu halten. Sollten allerdings neue Varianten und Mutationen des Virus auftreten, dann sind wir wieder am Anfang und müssen über entsprechende Nachimpfungen nachdenken.

Die aktuelle Impfquote ist also auch kein Grund für Euphorie.

Wahlkampf

Wie die derzeitige Lage sich wirklich darstellt und dass diese keinen Grund für eine überbordende Euphorie liefern, das wissen auch die Verantwortlichen in der Politik. Doch es ist Wahlkampf. Allein dieser Umstand erklärt die Versprechungen auf fast normalen Sommerurlaub für alle und den Besuch im ach so wichtigen Biergarten.

Schon im September soll die Bundestagswahl stattfinden. Das ist äußerst knapp, wenn man bedenkt, dass der volle Impfschutz erst 14 Tage nach der zweiten Impfung eintritt. Wer also heute eine Spritze mit Astrazenca oder Biontech bekommt, muss bis zu 12 Wochen auf die 2. Injektion warten und erst nach 2 weiteren Wochen gilt man als geimpft und damit wieder als „freier Mensch“.

Es gibt allerdings immer noch nicht ausreichend Impfstoff für alle. Es herrscht Mangel wie zu DDR-Zeiten, verursacht durch die Bundesregierung und die EU-Kommission, und in beiden Fällen von CDU Politikern. Zudem verschmähen viele aus der Ü60-Generation auch noch den Impfstoff vom Hersteller Astrazenca und vergrößern so den Mangel und damit die Wartezeit für Jüngere noch zusätzlich.

Es werden also viele Menschen, vor allem die jüngeren am Tag der Bundestagswahl noch nicht vollständig geimpft sein. Das wird sich sicher auf die Wahl auswirken. Denn gerade die Familien gelten als Verlierer der Pandemie. Homeoffice, Homeschooling und Einschränkungen in allen Bereichen bestimmen das Leben von Kindern und Eltern seit dem Ausbruch der Pandemie.

Verzicht für den Schutz der Älteren – das war der Deal. Doch nun müssen gerade Familien mit ansehen, wie die Ü60 vollständig geimpft in den Restaurants sitzen und sich um Urlaubsplätze rangeln, während für Eltern Impftermine weiter auf sich warten lassen und für Kinder noch gar keine Impfstrategie existiert. So hatten sie sich den Deal mit den Älteren nicht vorgestellt. Und der Frust darüber wird bei der Bundestagswahl offen zutage treten.

Impfstoffe und Impftermine

Dieses Dilemma ist auch der Politik nicht verborgen geblieben. Zwar stellt noch immer die ältere Generation die größte Wählergruppe dar, weshalb man alles tut, um dieser gerecht zu werden, doch ganz auf die Jungen zu verzichten, kann sich keine Partei leisten. Deshalb kommt man nun auf abstruse Ideen, mit denen es möglich werden soll, auch die Jüngeren noch vor der Wahl irgendwie geimpft zu bekommen. Bis auf die Kinder versteht sich, für die gibt es bislang noch gar keinen freigegebenen Impfstoff.

So hat Bundesgesundheitsminister Spahn nun erklärt, dass die Impfstoffe von Astrazenca und von Johnson & Johnson für alle Impfwilligen freigegeben sind. Jeder, der das will, kann sich ab sofort mit diesen Impfstoffen impfen lassen. Was gut klingt, ist allerdings gefährlich, denn diese Impfstoffe sind nicht umsonst nur für Menschen Ü60 empfohlen. Auftretende Thrombosen stellen ein Risiko dar, dessen Abwägung nun auf die Menschen abgewälzt wird.

Zudem will Spahn den Abstand der zwei Impfungen beim Impfstoff von Astrazenca auf vier Wochen verkürzen. Eine weitere Stufe der Eskalation. Nicht nur, dass jeder nun selbst entscheiden muss, ob er das Risiko einer Thrombose eingehen kann und will. Nein, zudem wird auch die Wirksamkeit der Impfung stark herabgesetzt.
Es ist zwar laut Hersteller möglich, den Abstand zwischen der 1. und 2. Spritze auf bis zu 4 Wochen zu verkürzen, die Wirksamkeit sinkt dadurch allerdings dramatisch auf nur noch 55 Prozent. Hält man die empfohlenen 12 Wochen zwischen der Erstimpfung und der zweiten Spritze ein, dann hat der Impfstoff von Astrazenca eine Wirksamkeit von gut 80 Prozent.

Das ist ein gewaltiger Unterschied, der nicht leichtfertig für den Wahlkampf hingenommen werden sollte.

Fazit

Es gibt zur Zeit noch keinen Grund für Euphorie. Deutschland ist in Sachen Covid19 noch lange nicht über den Berg. Die Impfungen laufen zwar endlich in einem annehmbaren Tempo, doch die Zahl der komplett Geimpften ist immer noch gering. Erst zum Herbst hin wird sich die Lage spürbar entspannen, zumindest für impfwillige Erwachsene und Jugendliche. Für Kinder unter 12 Jahre gibt es keine Strategie und keinen Impfstoff.

Die Vorschläge der Politik, die nur darauf abzielen, gute Stimmung zur Bundestagswahl zu erzeugen, sind gefährlich und kurzsichtig. Denn Menschen mit verringerter Impfwirksamkeit stellen ein Risiko dar, für sich selbst und für alle anderen. Und solange nicht der Rest der Welt ebenfalls geimpft ist und eine Herdenimmunität besitzt, solange ist Corona auch nicht vorbei.

 

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